Dienstag, 6. November 2012

Re-Entry: Redstar-Story

Teil 1

Dieser Text hätte eigentlich noch einige Zeit auf sich warten lassen sollen. Denn die mit seinem Inhalt verbundenen Arbeiten an unserem "neuen" alten automobilen Hauptdarsteller, einem 1992er VW MULTIVAN der Sonderserie "REDSTAR", ließen mir kaum die Möglichkeit für sinngebende Formulierungen und Erzähltechnik.

Zumal das Leben ja schließlich nicht nur das geliebte Hobby zur Aufgabe hat, sondern natürlich "so ganz nebenbei" auch noch viele andere alltägliche Erledigungen fordert.
Von vornherein war klar, dass der Erwerb dieses Fahrzeugs nicht ohne weitere Anstrengungen in das Zulassen und Fahren münden würde. Denn bereits der erste Eindruck sprach dagegen.

Dieser Multivan hat nämlich nicht nur seine 20 Jahre auf dem ausgeblichenen Buckel. Er muss von seinen fünf Vorbesitzern auch ganz schön geschunden und wahrscheinlich auch nicht immer liebevoll behandelt worden sein. Das merkte ich, je detailierter ich das Fahrzeug zur Restauration zerlegte - an den unmöglichsten Stellen hatte MAN (wer auch immer das war) bereits in der Vergangenheit unfachmännisch herumgefrickelt.

Dieser Eindruck passte außerdem zum Allgemeinzustand, den ich als eher ungepflegt bezeichnen möchte. Der REDSTAR machte somit einen verbrauchten Eindruck.
So präsentierte Volkswagen den "Limited Last Edition"   Foto: Internet
Multivan Bluestar-Produktion   Foto: Internet
Apropos Vorgeschichte:

beim Erscheinen der allerletzten T3 versprach Volkswagen 1992 vielen Werksangehörigen einen "Limited Last Edition" (LLE). Man rechnete jedoch nicht damit, das diese bei Steyr-Puch in Graz/Österreich gebauten 2.500 Exemplare so schnell vergriffen sein würden. So entschloss man sich notgedrungen, dort noch einige hundert T3 (die genaue Zahl ist nicht bekannt), die ausstattungsmäßig den LLE glichen, zu produzieren. Die orlyblauen Fahrzeuge wurden mit dem bereits (aus Hannover) bekannten BLUESTAR-Schriftzug versehen, für die tornadoroten Exemplare ließ man einen REDSTAR-Schriftzug im gleichen Schriftstil herstellen.

Die REDSTAR wiesen die geringste Stückzahl aller noch gebauten "Nach-Limited-Last-Edition"-Fahrzeuge auf. Sie wurden ausschließlich mit Turbodiesel-Motoren ausgeliefert und kamen nie in den offiziellen Verkauf. Sie sind somit absolut seltene Raritäten!

Der ultimativ letzte T3 verließ das Werk in der Steiermark am 20.11.1992.
Ein Redstar in Bestform   Foto: Internet
Unser T3 ist als Neuwagen ab dem 26.11.1992 elf Jahre lang im bayrischen Ingolstadt auf seinen ersten Eigner, vom Namen her wahrscheinlich ein Rumäne, zugelassen gewesen. Dieser wird wohl bei Audi in Ingolstadt, bekanntlich dem VW-Konzern angeschlossen, gearbeitet haben - anders hätte er nicht in den Besitz eines solch raren REDSTAR kommen können. In dieser Zeit ist das Fahrzeug laut Serviceplan bis zu einer Laufleistung von ca. 65.000 Kilometer regelmäßig bei einer Ingolstädter VW- und Audiwerkstatt vorgestellt und gewartet und am Ende dieser Ära (Ende 1997) sogar bei 74.999 km mit einem politisch korrekten Oberland-Mangold-Oxikat ausgerüstet worden. Ende 2001 hatte er ca. 150.000 km auf der Uhr
Zeichen von Exklusivität: der REDSTAR-Aufdruck
Zwei Jahre später wechselte der REDSTAR den Besitzer - dieser fuhr ihn 2003 von April bis September - weiterhin jedoch in Ingolstadt. Außerdem spendierte er dem Multivan eine neue Anhängerkupplung.

Die nächsten vier Jahre trug das Fahrzeug das amtliche Kennzeichen des Kreises Schleswig-Flensburg, denn seine Besitzerin wohnte in Nübel. Sie spulte den Kilometerzähler bis August 2007 auf ca. 200.000 Kilometer und verkaufte den Wagen nach Buxtehude in den Landkreis Stade.

Dort wurde er einen Winter lang gefahren und 2008 nach Dohren in den Lankreis Harburg (Winsen/Luhe) veräußert. Ende August 2009 holte ihn schließlich unser Bullispezialist an den Dümmersee. Mit rd. 253.000 Km auf dem Tacho entdeckte ich ihn dort auf dem Platz vor der Werkstatt. Besonders diese drei Jahre im Freien dürften ihm ganz schön zugesetzt haben. Denn gerade die roten Unilacke neigen zum schnellen Verwittern. Die hiesige, ständig nasse Witterung sorgte zudem für reichlich Moosansatz und auch die in der Nähe stehenden Bäume haben Spuren von drei vergangenen Jahreszeitzyklen auf REDSTARs gesamter Karosserie hinterlassen. Weshalb wir uns direkt nach seiner Abholung auch erstmal in der Waschbox einer Tankstelle wiederfanden.







Vorrangig saß ich aber nach über acht Jahren wieder am Steuer eines Bulli! Was für ein euphorisches Gefühl, welch angenehmes Re-Entry in die Bulli-Welt!

Nach ein paar wonnigen Bulli-Kilometern stand der REDSTAR nun an jener Stelle, an der bis vor wenigen Tagen noch unser Wohnwagen stand. Willkommen zu Hause! Doch das war vorerst nur die Bulli-Sicherstellung ... die eigentliche Bulli-Reanimation sollte erst nach dem Urlaub folgen.



CUT - vier Wochen später.

Hinter uns lag ein Sizilienurlaub, in dem wir uns gut erholt hatten. Währenddessen gab es jedoch immer wieder kleine eBay-Einsätze für den REDSTAR. So kamen wir im Urlaub zu Band 111 der "Jetzt helfe ich mir selbst"-Reihe, an ein Edelstahl-Befestigungskit für Multivan Beplankung, an zwei asphärische Außenspiegel-Spiegelgläser für links und rechts und an drei graue Kopfstützen.

Herausragend hierbei die Geschichte des Heckklappen-Emblems: das Heck unseres Bulli schmückte nämlich ein "BUS"-Emblem. Einer seiner Vorbesitzer mochte wohl die Bezeichnung "MULTIVAN" nicht und hatte die Beschriftung kurzerhand ausgetauscht. Für mein Ziel, den REDSTAR so original wie möglich wieder herzurichten, benötigte ich also wieder ein "MULTIVAN"-Emblem. Doch ich ahnte nicht, wie schwer sich die Suche danach gestalten sollte. Denn zwanzig Jahre nachdem der letzte Multivan seine Produktionsstätte verlassen hat, scheinen bestimmte seiner Teile schon im Raritätenstatus zu versinken - darunter eben auch das gewünschte Schildchen. Lediglich das Onlineauktionshaus eBay führte ein einziges Exemplar - dessen ich habhaft werden wollte! Es bestand nur ein kleines Problem: die Auktion endete zu einem Zeitpunkt, als wir auf der Urlaubsrückreise etwa von der Fähre in Genua herunterfuhren. Das bedeutete also, dass wir unbedingt unterwegs irgendwo auf der italienischen Autobahn mitbieten mussten.
Das Emblem des Anstosses: "BUS"?!

Relativ kurz nachdem wir dann die Fähre und Genua verlassen hatten, kamen wir in einen Wolkenbruch und es schüttete wie aus Kübeln. 

Aus Platzgründen hatte ich vor der Rückreise mein Laptop griffgünstig im Dachkoffer untergebracht. Einige Minuten vor Auktionsende verließen wir also die Autobahn an einer "Area di Servizio" (Rast- und Tankstelle). 

Unter einem Dach für die Tanksäulen fand ich Regenschutz und konnte mein Laptop bergen - wenig später saß ich mit dem Laptop auf den Knien im Auto und erhielt mit 14,37 EUR den Zuschlag für den begehrten Multivan-Schriftzug. 

Fünf Bieter hatten sich darum bemüht!
Multivan-Zeichen-Ersatz von italienischer Autobahn bei eBay "geschossen"

Neue Blechteile
Gebrauchte Blechteile


Zuhause angekommen begann die Bestandsaufnahme am T3.

Innerhalb der nächsten Wochen zerlegte ich das Fahrzeug. Lediglich der Motor blieb an seinem Platz im Heck. In diesem rohen Zustand offenbarte der Wagen sämtliche zukünftige "Baustellen". Auch Einige, die vorher nicht zu sehen waren. Doch ich ging mit der Einstellung an REDSTARs Wiedergeburt, dass ich es ordentlich machen werde - und eben keinesfalls zu pfuschen!

Dementsprechend sah dann auch meine Einkaufsliste aus: neue Reparaturbleche für die Seitenteile hinten links und rechts, ebenso für die Front unter den Scheinwerfern und die Einstiege in der Fahrer- und Beifahrertür sowie das Schwellerblech gegenüber der Schiebetür. Andere Bleche mussten von Schrott-T3 gespendet werden: für das häßliche Rostloch neben dem Redstar-Aufkleber an der Front, für den Windschutzscheibenrahmen, für den Fensterrahmen gegenüber der Schiebetür und den Fensterrahmen der Heckklappe.
Frontblech

Seitenteil

... wehalb man mich nun "Gesichtschirurg" nennt

Während es draußen langsam herbstlicher wurde, setzte ich die ersten Schnitte an der Bullifront mit der Flex an und einiges später flogen Funken beim Punktschweissen.

Der herannahende Winter sorgt nun aktuell auch für weitere Arbeit. Mein Lackierfreund Ralf möchte nämlich für die Spachtel- und Schleifarbeiten nicht im Kalten arbeiten. Also werde ich wohl meine Garagenwerkstatt freiräumen müssen und beheizbar machen.
Fensterrahmen ausgetauscht

Momentan muss ich jedoch eine Zwangspause einlegen - beim Verlegen von riesigen Glasscheiben auf unser Terrassendach (auch das musste unbedingt noch VOR Einbruch des Winters geschehen) bin ich herabgestürzt und habe mir drei Wirbel der Wirbelsäule gebrochen. Ich habe RICHTIG Glück gehabt - alles wird wieder heilen!

Derweil steht also der Bulli in der Garage und wartet auf die Fortführung der Arbeiten. Gut Ding braucht Weile - hier (meine Wirbelsäule) und dort (der REDSTAR)!

15 Kommentare:

  1. Bin weiterhin begeistert, und freue mich auf Teil2 !!!

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  2. Die Redstar sind die seltensten der LLE?
    Über Jahre stand ein Redstar an meinem Schulweg und lange darüber hinaus hat der Eigner dem Wagen die Treue gehalten. Würde mich nicht wundern, wenn er immer noch da wäre, in Wtal.

    Als Pennäler habe ich damals meine Eltern verwirrt. Als der LLe beworben wurde, habe ich als 13-Jähriger Info-Material angefordert, was natürlich auch kam. Meine Mutter wunderte sich dann über mehrmalige Anrufe von VW, in denen man meinem Vater gern mehr Informationen zukommen lassen wollte.

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    1. Hallo Nils,

      offiziell zählte VOLKSWAGEN die Fahrzeuge, die NACH den LLE entstanden, nicht zu den Limited Last Edition. Immerhin bekam ja jeder Besitzer eines LLE auch eine Urkunde - das bekamen BLUE- und REDSTAR-Besitzer nicht.

      Soweit mir bekannt ist, wurden sowohl die LLE als auch die danach gebauten BLUE- und REDSTAR damals nur an Werksangehörige herausgegeben. Deswegen wundert mich, dass Ihr Infomaterial bekommen haben wollt. Angeblich soll es ja offiziell nicht mal Werbematerial für die Fahrzeuge gegeben haben... auf dem Prospekt, den ich gesehen habe, stand "Nur für den werksinternen Gebrauch" drauf.

      Ansonsten hat STEYR-PUCH in Österreich (das Werk in dem diese T3 gebaut wurden) z.B. mit den Fahrgestellnummern ziemlich rumgeschlonzt. So tragen die 2.500 LLE (und auch die restlichen BLUE- und REDSTAR) nicht etwa chronologisch zuordnebare Fahrgestellnummern. Und nach der Aussage von ehemaligen STEYR-PUCH-Werksangehörigen standen noch fast bis zum Sommer 1993 T3 in der Wartehalde auf dem Werksgelände - die bekamen dann natürlich in der Erstzulassung auch dieses Jahr eingetragen. Letztendlich warteten sie jedoch schon bis zu einem Jahr bei jedem Wind und Wetter auf ihren ersten Einsatz.

      Was mich jetzt noch interessiert - und? Habt Ihr irgendwann T3 gefahren und besessen? Haben Deine Hinterrücks-Aktionen irgendwann gefruchtet?

      Gruß
      Andreas

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  3. War evtl. missverständlich ausgedrückt - der REDSTAR stand sehr lange in der damaligen Nachbarschaft. Das Info-Material hatte ich auf die Annoncen hin angefordert, die VW damals schaltete. Ich bin aber in der T3-Historie nicht firm, ist schon was her. War der Whitestar ein eigenständiges Sondermodell? Möglicherweise war dies der Anlass.

    Nein, ein T3 bzw. Bus hat es weder in die Familie noch zu mir geschafft. Mein Vater gehört zu den treuen Kunden, die in 40 Jahren nicht jedes Facelift, aber praktisch jede Baureihe des Passat besassen. Nun ist es ein Golf.

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  4. Bei dem Bulli in der Nachbarschaft erinnere ich mich jedoch deutlich an die Ziffern-Embleme an den Türen.

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  5. Google hilft.

    Es war offenbar ein T3 Limited Edition in Tornadorot.

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    1. REDSTAR gab es nur NACH den LLE, also nur aus dem Baujahr 1992 (schätzungsweise 250 Einheiten) aus Graz (davor, in Hannover wurden keine gebaut).
      BLUESTAR in Starblue-metallic (das hellere Blau) wurden ausschließlich in Hannover bis 1990 gebaut, ebenso die WHITESTAR.
      Die etwa 500 BLUESTAR aus Graz (entstanden auch NACH den LLE) waren alle in Orlyblau-metallic (das dunklere Blau).
      Die roten LLE waren (wie die REDSTAR) tornadorot, die blauen LLE orlyblau-metallic und sichtbar durchnummeriert (auf Fahrer und Beifahrertür).

      Die Redstar gab es durchweg nur mit Turbodieselmotor, die dunkelblauen BLUESTAR sowohl mit Turbodiesel-, als auch mit dem Wasserboxermotor.

      Die Ausstattung von LLE und den späten BLUE- sowie den REDSTAR war identisch... luxuriöse Pilotensitze mit Armlehnen, elektrisch verstell- und beheizbare Außenspiegel, getönte Scheiben, grauer Velourteppich, serienmäßig Einknüpfgardinen, Schiebescheiben hinten, Polster über dem Motorraum, GFK-Beplankung und Stoßfänger in Wagenfarbe, Rechteckige Doppelscheinwerfer, 205er Reifen auf Alufelgen.

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  6. Gibt es den akuellen Bus noch in einem deckendem rot? Beim Passat ist 2016 der erste Modelljahrgang ohne.

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    1. Hallo Nils,

      ja - den T6 gibt es in Kirschrot (Farbcode L554) - Info Dank Internet.

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  7. Internt ist manchmal sehr hilfreich.

    Ist der Redstar ein Turbodiesel oder ein Benziner?

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  8. Und lesen ist zuweilen hilfreich. Sorry for that.

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  9. Anonym19.9.22

    Hallo, Sie schreiben, dass der letzte Redstar im November 1992 das Werk verlassen hat. Meiner wurde am 04.12.1992 ausgeliefert. Bezieht sich dies auf die Produktion oder den Verkauf beim Händler?

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    1. Hallo,

      ich weiß sogar von Fahrzeugen, die erst 1993 das Werk verlassen haben. Diese standen angeblich bei Steyr-Puch "auf Halde". Wenn sie dann auch noch lange beim Händler standen, kommen skurrile Erstzulassungen dabei heraus.

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  10. Gibt es das Portal noch, wo man sich als "Redstar-Eigentümer" eintragen kann? Gruß Uwe

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    1. Ja - das ist die LLE-Kartei. Sie ist durch https://www.lle-kartei.de/ erreichbar.

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