Sonntag, 3. Juli 2016

Höcksken, Stöcksken und tierische Schadenfreude

Meistens entscheide ich erst ganz zum Schluss, welche Überschrift meine Geschichte erhält. Doch heute will mir einfach nichts richtig Gutes, Passendes einfallen. Denn eigentlich ist es nicht nur eine Story, sondern es sind mehrere, ganz unterschiedliche - und doch irgendwie miteinander verwobene Geschichten.

Zunächst geht es um ein grünes, später um ein blaues Motorrad. Und irgendwie auch um wenig Zeit, wenig Platz aber dann auch wieder um viele (meist alte) Autos. Und um Lust und Passion oder verharztes Super-Benzin. Und dann geht es plötzlich darum, dass Luft keine Balken hat, Wasser allerdings auch nicht - am Grunde eines Flusses aber dann doch. Zwischendurch präsentiere ich meine profane Feststellung, dass Flußwasser stinkt... und wette mit meinen Lesern, dass sie eine unbändige Schadenfreude verspüren werden!
Dann geht`s kurz um ein Wespennest und Völkermord sowie zum Schluss um Abschied und das Ende eines Lebensabschnitts und fast gleichzeitig um einen luftigen Neuanfang. Waaaaahhhaha! Der Wahnsinn greift um sich! 

Na? Alles klar? Neugierig geworden? Das alles liest sich, als sei ich tüdelig geworden, stimmt's? In der Schule hätte es für so einen wirren Aufsatz eine schlechte Note gegeben. Aber ich schwöre, es hat sich alles genau so zugetragen.

Der berühmte Affe auf dem Schleifstein





























Los geht's! Ehrlich gesagt war ich nie wirklich vom Motorradvirus infiziert! 2005 musste ich den Motorradführerschein machen, denn er ist eine unabdingbare Grundvoraussetzungen für die Fahrlehrerausbildung, die ich damals absolvierte. Im Unterricht ließ man uns Fahrlehreranwärter wissen, dass wir unsere Berufschancen verbessern könnten, wenn wir möglichst schnell viele Erfahrungen beim Motorradfahren sammeln sollten. Genau deshalb erwarb ich also eine Kawasaki Zephyr 750, ein dunkelblaues Naked Bike mit 72 PS aus dem Baujahr 1992.
... sehr gewöhnungsbedürftig

Olivia hingegen ist bereits vor vielen Jahren auf Motorrädern in die Welt der Mobilität eingestiegen - sie freute sich über die Anschaffung der Maschine. Wenn wir jedoch zu Zweit auf der Sitzbank hockten, sah das ziemlich albern aus. Deswegen beschlossen wir gleich, nach einer zweiten Maschine Ausschau zu halten. Es schien uns ratsam, nach einem identischen Modell zu suchen. Wir fanden ein grünes Pedant aus dem Baujahr 1993.

Dank der günstigen Versicherungsmöglichkeiten durch Olivia's Job im öffentlichen Dienst, waren diese beiden Motorräder kein wirklich schwerwiegender Kostenfaktor.
Auch als Sozius mit Fliegen am Visier

Und ich muss auch ehrlich gestehen, dass unsere gemeinsamen Ausfahrten schön waren. Allerdings waren wir ausgeprägte Schönwetterfahrer. Kaffeetrinken hier, Eisessen da oder auch mal einen gemütlichen Besuch dort. Wir waren meistens an Wochenenden und nahezu ausschließlich bei trockenem Wetter, vorzugsweise Sonnenschein unterwegs.

Like ice in the Sunshine

... alte Zeiten an einer Tanke im Weserbergland

Motorrad-Tour mit Lukas

Als sich jedoch herausstellte, dass Olivia unter Rheuma leidet und obendrein auch noch Arthrose in den Kniegelenken hat, brach ihre Begeisterung für das Motorradfahren verständlicherweise ein. Immer häufiger musste ich allein meine Runden drehen. Doch ich konnte mich nicht für diese einsamen Unternehmungen erwärmen. Auch meine Maschine stand folglich immer häufiger still.

War schon früh auf Motorrädern unterwegs... 

... Olivia

Diese langen Standzeiten quittierten die Maschinen leider mit Problemen. Immer wieder sprangen ihre Motoren schlecht an (auch, weil sich die Batterien ständig entluden), nahmen schlecht Gas an, verschluckten sich und hüpften dann wie Kängurus. Unsere Werkstatt fand heraus, dass der Sprit in den Vergasern aufgrund der langen Standzeiten verharzt. Dadurch würden die kleinen Kanälchen in den Vergasern verkleben und die Gemischaufbereitung wäre dann unzureichend. Im Endeffekt schließe ich daraus, dass mir die Motorradtechnik zu fragil und sensibel ist - ich hasse derartige Zickereien!

Als ich im letzten Herbst nach fast einem Jahr Standzeit mal wieder einen verpassten Hauptuntersuchungstermin nachholen wollte, lief die grüne Zephyr wie ein Sack Nüsse - ich kam nicht mal vernünftig vom Hof! Ziemlich sauer entschied ich, die Maschine direkt zu verkaufen. Zwei Wochen später ergab die eBay-Versteigerung einen durchaus vertretbaren Preis - die grüne Zephyr fährt heute irgendwo bei Aachen.

Känguru verkauft!

Von ihrem Erlös kaufte ich ein elektrisches Rolltor für unsere angebaute Oldtimergarage. Den Rest investierte ich in einen Cameracopter - erfüllte mir somit einen lang gehegten, ersehnten Wunsch, an den ich normalerweise nicht mal ansatzweise geglaubt hatte. Denn diese fliegenden Cameras sind eigentlich richtig teuer, speziell dann, wenn sie eine einigermaßen brauchbare Bildqualität liefern können.

Bereits vor zwei Jahren hatte ich einen günstigen Quadrocopter in der Preisklasse unter 100,- EUR erstanden - mit ihm wollte ich zunächst testen, inwiefern ich mit so einem Fluggerät zurecht komme.

Also probierte ich das Gerät im Urlaub auf Sizilien aus: das Fliegen war nicht ganz einfach (die einfache Drone ist extrem leicht - die kleinste Windböe stört), die Bildqualität eher bescheiden. Aber es machte großen Spaß! Ich entdeckte eine ungeheure Freude am Betrachten von Bildern oder Videos aus großer Höhe.


Meine neue Parrot Bebop fliegt und filmt allerdings in einer ganz anderen Klasse. Um eine optimale Stabilität ohne Kompromisse bei der Handhabung zu garantieren, führt diese GPS-gesteuerte Drone eine Fusion der Daten durch, die von den zahlreichen 3-Achsen-Sensoren kommen: Beschleunigungsmesser, Gyroskop, Magnetometer. Ein Ultraschall-Sensor mit einer Reichweite von 8 m, ein Drucksensor sowie eine vertikale Kamera messen die Geschwindigkeit am Boden.

Diese Drone ist mit einem Fotoapparat mit 14 Megapixel ausgerüstet (tropenfest, gegen Spritzwasser und Staub geschützt), der ein "Fisheye” - Objektiv hat und Fotos und Videos in einem Umkreis von 180° (waagerechte Linien werden dabei nicht verzerrt, kein Krümmungseffekt beim Horizont) in Full-HD-Qualität machen kann. Außerdem ist sie mit einer vollständig digitalen Bildstabilisierungstechnologie ausgerüstet, sodass man im Flug filmen kann, ganz gleich, welche Bewegungen der Quadrocopter auch ausführt. Gesteuert wird dieses Gerät bis zu einer maximalen Entfernung von 2 Kilometern über einen Skycontroller, eine Fernbedienung durch eigenes WLAN und per Tablet-App. Mit diesem Programm ist es mir sogar möglich, kleine Flugrouten (Flugrichtung, -geschwindigkeit, höhe) zu planen und abfliegen zu lassen.


Doch auch mit so einem Hightech-Flieger kann man Fehler machen. Im Winter wollte ich die verschneite Landschaft um unser Haus herum aus einiger Höhe filmen. Als die Drone aus dem windgeschützten Bereich unseres Wendehammers nach Flugplan über die Dächer empor stieg, bemerkte ich zu spät, dass dort oben eine steife Brise wehte. Die Drone wurde weit abgetrieben. Über das GPS gibt es die Möglichkeit, die Drone auf direktem Weg zu ihrem Ausgangspunkt zurück zu befehlen. Doch gegen den Wind kam sie nicht an und stürzte schließlich ab... außerhalb meiner Sichtweite hinter Häusern - in den frisch gefallenen tiefen Schnee. Das war zumindest auf dem Bild, das die Camera noch lieferte, zu erkennen. Doch wo genau steckte sie? Die Landschaft war schließlich einheitlich weiß! Dieser Tag endete leider mit einem Verlust. 

Am nächsten Tag suchte ich das immer noch tief verschneite potentielle Absturzgebiet systematisch über zwei Stunden lang ab. Auch die eigentlich eher unwahrscheinlichen Randgebiete brachten keinerlei Suchergebebnis. Ich tröstete mich schließlich mit der letzten Möglichkeit, die knallrote Drone nach Tauwetter vielleicht doch noch zu finden. Gesenkten Hauptes schlurfte ich durch den inzwischen pappigen Schnee der Pferdekoppel direkt hinter unserem Haus - und da fand ich sie plötzlich, kopfüber im Schnee steckend. Nochmal Glück gehabt!

Schräglage wegen extremen Seitenwinds... anschließender Absturz auf die Pferdeweide in der Mitte

Glück habe ich aber leider nicht immer. So auch an jenem heissen Samstag Anfang Juni. Ich hatte für einen geplanten Film über meinen Wohnort Drebber ein paar Rundflüge über typischen Locations programmiert. Die ersten Einstellungen sollten am Hoopener Stauwehr der Hunte (Fluß durch unser Dorf) aufgenommen werden. 

Die Drone startete wie geplant, drehte ihre Runde, zunächst über den Fluß, anschließend über einen Wald und kehrte dann zu mir zurück zum Ufer des Flusses. Dort ging jedoch die Funkverbindung zur Steuerung verloren (es gab bereits Tage zuvor diverse Schwierigkeiten, die ich mit Hilfe des Parrot-Supports behoben glaubte). Die Drone reagierte nicht mehr auf die Befehle meines Skycontrollers, landete schließlich im Wasser und ging augenblicklich unter. 

Laut fluchend versuchte ich den Punkt des Untergangs nicht aus den Augen zu verlieren, entledigte mich paralell des technischen Equipments und (bis auf die Unterhose) auch meiner Klamotten. Dann kletterte ich flink in die Hunte, nicht ahnend, dass der trübe Fluß hinter dem Wehr glücklicherweise nur etwa 1,50m tief ist... und wenigstens nicht kalt... aber leider mit etwas Strömung. Deshalb auch wahrscheinlich am Grund nicht modrig und schlickig, auch nicht bewachsen. Ich spürte mit den herumtastenden Füßen nur ein paar alte Äste oder Weidepfähle und Steine auf, suchte ein Gebiet deutlich flussabwärts der Absturzstelle ab... dann schließlich immer weiter flußaufwärts. Aber es war aussichtslos, ich fand nichts. Nachdem ich die komplette Suchaktion im Wasser ergebnislos wiederholt hatte, suchte ich meine Sachen zusammen, blickte ein letztes Mal zurück auf den Fluß und zog niedergeschlagen von dannen. Das Huntewasser stank muffig auf der Haut... SCHEI***! Ich hatte soeben 350,- EUR versenkt! *Schluck*

Der Huntestau in Hoopen

Meine neue Badestelle :-(

So etwa war die Flugroute: grün = so war es geplant, rot = da machte sich die Drone selbstständig

Mal ehrlich - geht man in solchem Wasser freiwillig baden?

Olivia bemerkte gleich, dass ich stinksauer war. Doch sie konnte sich schadenfrohe Sticheleien nicht verkneifen. Zu gern hätte sie gesehen (oder sogar gefilmt), wie ich da in der trüben Jauche nach meiner versenkten Drone angelte. Ihrer Aussage "warum lässt du die Drone da auch über dem Wasser fliegen!" begegnete ich entnervt mit dem Spruch "tja, dann hätte ich sie am besten immer nur maximal 2m über dem Asphalt fliegen lassen dürfen!" Wenn man Angst vor dem Leben hat, sollte man morgens gar nicht erst das Bett verlassen.

Und Du, lieber Leser, solltest Dir auch jeglichen Kommentar verkneifen... es ist eben extrem SCHEI*** gelaufen, das weiß ich auch! Kannst Du Dir vielleicht auch nur ansatzweise vorstellen, welche Überwindung es mich kostet, von diesem Missgeschick auch noch hier, in aller Öffentlichkeit, zu erzählen? Aber wie lautet doch noch eines meiner Mottos: Du kannst im Leben oft auf die Schnauze fallen. Aber du bist kein Verlierer, solange du versuchst, wieder aufzustehen.

Längst Legende: die letzte Fahrt mit der grünen Zephyr

Deshalb kommen wir nun wieder zurück zum ersten Teil dieser Geschichte. Der Teil, in dem es um unsere Motorräder ging - denn sicher hattest Du Dich schon ganz verdutzt gefragt, was das Eine mit dem Anderen zu tun haben könnte, richtig?

Also: der versenkten Drone hatte ich damals im Neuzustand den Namen "Flying Zephyr" gegeben. Nachträglich hätte ich sie vielleicht besser "Diving Zephyr" nennen sollen (das nennt man wohl Galgenhumor - ein Mal Lachen für 350,- EUR bitte!).
Da das eigenwillige Ding ja nun also auf Nimmerwiedersehen langsam Richtung Weser und somit Richtung Nordsee schippert, verwerfe ich zukünftig besser das Vorhaben einer beziehungsvollen Namensgebung für eine Drone. Denn das scheint ja wohl ein schlechtes Ohmen zu sein, oder?

***CUT***

Noch ein Mal so richtig um die Kurve bügeln. Aber ich fühlte mich nie als typischen Biker!

Seit nunmehr zwei Jahren abgemeldet dämmert die zweite Kawasaki Zephyr 750 unter unserem Carport ihrer ungewissen Zukunft engegen. 2013 hätte sie zur HU gemusst, seit 2011 ist sie schon nicht mehr artgerecht bewegt worden. Ein Finanzfachmann spräche in diesem Fall auch von gebundenem Kapital. Einem Besucher fiele die Vielzahl unserer gehorteten Mobilitätshilfen auf. Wir haben reichlich Automobiles auf dem Hof, meines Erachtens durchweg Gerätschaft, die es wert ist, Zeit damit zu verbringen. Zeit, die mir zum Moppedfahr'n zudem immer mehr gefehlt hat. Kurz: der Verkauf der blauen Zephyr bringt neue Perspektiven in vielerlei Sicht. Also - wech damit!

Die zweite Zephyr: auf Hochglanz poliert
Völkermord mit Nitrodämpfen
Sorry, ich brauchte die Maschine

Als ich die Maschine zur Verkaufsvorbereitung von einem Abdecklaken befreie, entdecke ich ein kleines Wespennest am Lenker... auch das noch! Da muss ich mich wohl auch noch des Völkermords schuldig machen. Letztendlich waren es dann tatsächlich nur zehn kleine Wespen plus Königin.

Einen ganzen Tag lang mühe ich mich mit dem Säubern der Zephyr ab. Tatsächlich sieht sie zuletzt wieder richtig ansehnlich aus. 
Aber die Batterie streikt, obwohl das Batterieladegerät schon seit einer Woche alles gegeben hat! Nachdem eine zu Hilfe geholte Autobatterie Kraft spendet, lässt sich auch der Motor wiederbeleben. Doch auch hier zeigen sich die bekannten Symptome durch verharzten Sprit - wird echt Zeit, dass der Hobel weg kommt!

Zehn Tage später erreicht das eBay-Angebot tatsächlich meinen gewünschten Mindestpreis - weitere zwei Tage danach wird die Maschine abgeholt. Sie fährt dann wohl bald im Taunus (dem Mittelgebirge, nicht dem gleichnamigen Young- und Oldtimer von FORD!).

Abholung der letzten Maschine

... auf ein Neues!
Und auch wieder in Rot... damit ich mein Missgeschick nicht
Jedem erklären muss!


Und nun braucht der geneigte Leser sicherlich wohl kaum lange zu raten, was jetzt von einem Teil des Erlöses bereits bestellt wurde?

Und gern nochmal: das Fluggerät wird ganz sicher nicht "Flying Zephyr 2" heissen.
Mein zukünftiges Flugverhalten werde ich allerdings wohl optimieren müssen.
Der Film über Drebber wird aber trotzdem entstehen!

2 Kommentare:

  1. Anonym3.7.16

    ich habe mich schon gewundert, dass du die "Flying Zephyr" nicht nach Bockhorn mitgenommen hast?! Jetzt weis ich auch warum....
    Gruß as WW
    petrod

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Wobei: Bockhorn ist gar nicht so das Einsatzgebiet für eine Drone... was kann man da schon aus der Luft sehen? Viele Autos, viele Marktstände und viele Menschen. Das hat für mich ehrlich gesagt wenig Reiz.

      Aber wenn Du es denn wünscht, nehme ich sie nächstes Jahr mal mit.

      Gruß

      Löschen